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THEMEN > UMWELT – NACHHALTIGKEIT – KLIMASCHUTZ

Niko Paech kritisiert Deutsche Bank, die eine „Ökodiktatur“ herbeiphantasiert

Barthel Pester, Werkstatt Zukunft – Februar 2021

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Ein Analyst der Deutschen Bank hat einen Kommentar mit der Überschrift formuliert „Klimaneutralität: Sind wir bereit für eine ehrliche Debatte?“. Dieser Analyst unterstellt mit dieser Frage, dass wir das natürlich nicht sind und beschwört sogar „eine Ökodikatur, ohne die es nicht gehen wird“. Werkstatt Zukunft hat den Volkswirt Niko Paech um eine Stellungnahme gebeten.

Deutsche Bank fürchtet Klimadebatte

Der Kommentar „Klimaneutralität: Sind wir bereit für eine ehrliche Debatte?“ stammt zwar schon aus dem November 2020, lohnt aber eine nähere Betrachtung. Der Analyst unterstellt, dass „wir“ nicht zu einer ehrlichen Debatte bereit seien. Wer ist wir? Eric Heymann, so heißt der Analyst der Deutschen Bank, meint schwammig uns alle, und stellt sogar die Demokratie in Frage, indem er im weiteren Verlauf seiner Antwort sogar „eine Ökodikatur, ohne die es nicht gehen wird“ beschwört | Website Deutsche Bank

Werkstatt Zukunft hat den Volkswirt Niko Paech um eine Stellungnahme gebeten, weil die Redaktion es bemerkenswert gefunden hat, wie sehr ein deutsches Unternehmen Klimaschutzmaßnahmen kritisiert und sie als Gefahr für die Demokratie gar diskreditiert. Paech lehrt und forscht an der Universität Siegen als außerplanmäßiger Professor im Bereich der Pluralen Ökonomik.

Niko Paech nimmt Stellung

BildNiko Paech hat uns zu den Ausführungen Heymanns die folgende Stellungnahme zukommen lassen:

Die Kritik der Deutschen Bank am sogenannten „Green Deal“, den die EU-Ratspräsidentin fordert, mutet bizarr an. Zunächst sind die mit dem Green Deal assoziierten Maßnahmen derart unkonkret und wattiert, dass sie das Gegenteil dessen verkörpern, was Vertreter einer konsequenten Klimaschutzstrategie für unabdingbar halten. Denn das Konzept hebt darauf ab, jeglichen Klimaschutz unter Wohlstands- und Wachstumsvorbehalt zu stellen.

Was dies für die politische Praxis bedeutet, zeigt sich an allen Erfahrungen, die bislang mit dieser Vorgehensweise gesammelt wurden, denn schließlich wiederholt Ursula von der Leyen nur, woran sich fast sämtliche demokratischen Regierungen und Parteien aus Angst vor Wählerstimmenverlust klammern: Jeder Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und einer Beibehaltung der ausufernden Konsum- und Mobilitätskultur wird zugunsten der Letzteren gelöst.

Das Resultat ist eine Strategie, die allein auf technologischen Wandel setzt, allem voran die zum weltweit bestaunten Blueprint erkorene deutsche „Energiewende“, die niemandem etwas abverlangt, jedoch viele neue Verdienstmöglichkeiten entstehen lässt und ökologisch wirkungslos bis kontraproduktiv ist.

Indem die Deutsche Bank eine „unehrliche Debatte“ bemängelt, weil sie eine Klimastabilisierung für unvereinbar mit der Aufrechterhaltung des aktuellen Wohlstandsniveaus hält, bestätigt sie überraschenderweise die wachstumskritische Position. Daraus jedoch die Gefahr einer Ökodiktatur abzuleiten, ist wiederum verräterisch: Der sich betont liberal gerierende Einwand, ein reduktiver Wandel sei mit moderner Freiheit nicht in Einklang zu bringen, bildet ein Paradebeispiel dafür, dass manche Kritik mehr über den Kritiker als den Kritisierten erkennen lässt.

Denn dieses Argument setzt ein Menschenbild voraus, dem die Fähigkeit zur Einsicht in die Notwendigkeit des Überlebensnotwendigen fehlt. Damit richtet sich das Argument ungewollt gegen sich selbst, denn Liberalismus und Demokratie dürften mit einer derart pessimistischen Einschätzung des menschlichen Charakters kaum zu vereinbaren sein. Im Übrigen müsste eine Freiheit, deren Ausübung sich ihrer eigenen Existenzgrundlage beraubt, in einem unlösbaren Widerspruch stranden.

Wenn Freiheit ins Pathologische abdriftet, weil sie sich nicht begrenzen lässt, schafft sie sich zwangsläufig selbst ab. Sie trägt damit zu einer Rückabwicklung der Aufklärung bei. Wer sich des eigenen Verstandes nicht einmal dort zu bedienen vermag, wo das Überleben der menschlichen Zivilisation auf dem Spiel steht, liefert autoritären Strukturen die beste Begründung.

Deshalb sind Demokratien ohne eine konsequente Postwachstumsstrategie nicht zu retten. Wer stattdessen weiter auf technologische Erlösung vertraut, die nicht einmal theoretisch existiert, steuert auf eine unvermeidliche Eskalation zu. Wenn nämlich Verteilungskonflikte entbrennen und für manche der Kampf um ein würdiges Dasein beginnt, wird sich niemand mehr für eine Demokratie einsetzen, die offenkundig am Minimum dessen gescheitert ist, was Humanität bedeutet: Überlebensfähigkeit.

Fazit: Ohne eine ehrliche Debatte wird es nicht gehen

Barthel Pester von Werkstatt Zukunft sagt dazu: Die Klimakrise betrifft alle Gesellschaften auf diesem einen Planeten, denn alle leben in gegenseitiger Verantwortung füreinander. Dass sich daran natürlich nicht alle halten ist klar. Die taz hat schon 2011 aufgezeigt, das das Gespenst der Ökodiktatur bei bestimmten Ereignissen immer wieder als Reflex aus der Schublade geholt wird | taz zur Oeko-Diktatur (20.6.2011)


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